Am 4. Oktober endete das Regionalforum der Weltnaturschutzunion (IUCN) für Europa, Nord- und Zentralasien im belgischen Brügge. Es diente unter anderem zur Vorbereitung des IUCN-Weltnaturschutzkongresses 2025. Über den Entwurf einer IUCN-Position zum Einsatz von Gentechnik im Naturschutz wurde allerdings nicht diskutiert. Eine verpasste Chance, urteilten Save Our Seeds und die französische Organisation POLLINIS.
Die IUCN ist das weltweit größte Netzwerk staatlicher und zivilgesellschaftlicher Naturschutzinstitutionen und -organisationen. Es entwickelt derzeit eine Position zur synthetischen Biologie – einer Weiterentwicklung der Gentechnik – im Kontext des Naturschutzes. Die Grundlage dafür wurde mit der Resolution 123 beim IUCN-Weltnaturschutzkongress 2021 geschaffen. Dort beschlossen die IUCN-Mitglieder die Einrichtung einer „ausgewogen besetzten Arbeitsgruppe“ mit einer „gleichberechtigten Vertretung von Geschlechtern, Regionen, Meinungen, Ethiken und Wissenssystemen“. Auch eine „Bürgerversammlung“ sollte zur Positionsfindung beitragen.
Doch Nichtregierungsorganisationen zufolge verlief das Verfahren nicht so fair und ausgewogen wie ursprünglich geplant. So wurden indigene Völker und lokale Gemeinschaften nicht umfassend beteiligt und eine stark voreingenommene Organisation, das International Centre for Genetic Engineering and Biotechnology (ICGEB), betraut mit der Vorbereitung und Leitung der Bürgerversammlung. Im Sommer übten über 80 Nichtregierungsorganisationen harsche Kritik am „voreingenommenen“ und „intransparenten“ Verfahren und forderten einen Stopp des Prozesses, bis echte Beteiligung, Inklusivität und Transparenz gewährleistet seien.
„Wir sind sehr besorgt über die Einbeziehung des ICGEB in die ‚Bürgerversammlung‘ durch die IUCN, da dies einen klaren Interessenkonflikt darstellt“, sagte Nicolas Laarman von POLLINIS. „Die starke Voreingenommenheit des ICGEB und seine engen Verbindungen zur Gentechnikindustrie untergraben die Objektivität, die für eine ausgewogene und transparente Behandlung dieser höchst umstrittenen Thematik unerlässlich ist.“
Der finale Positionsentwurf wurde einen Tag nach dem Regionaltreffen in Brügge veröffentlicht. Dieser soll im Oktober 2025 auf dem Weltnaturschutzkongress der IUCN in Abu Dhabi verabschiedet werden. Nichtregierungsorganisationen hatten bereits zum ersten und zweiten Entwurf Rückmeldung gegeben. Sie bemängelten, dass ihre Kritik auch im dritten Entwurft nicht aufgenommen wurde. Vor allem fehlten klare Verfahren zur Risikobewertung sowie zur Anwendung des Vorsorgeprinzips.
„Für eine effektive Naturschutzpolitik zur synthetischen Biologie braucht es jetzt vor allem eines: einen informierten, transparenten und inklusiven Dialog über die gentechnische Manipulation in natürlichen Ökosystemen“, forderten Save Our Seeds und POLLINIS.
Hintergund
Schon 2019 hatten sich Nichtregierungsorganisationen – darunter der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring, der IUCN-Mitglied ist – mit einem offenen Brief an die Weltnaturschutzunion gewandt und „schwere Bedenken“ geäußert. Und an der Kritik von 2021 von DNR-Geschäftsführer Florian Schöne hat sich nichts geändert: „Der DNR lehnt Gentechnik sowohl in der Landwirtschaft als auch im Naturschutz grundsätzlich ab und fordert ein weltweites Moratorium für die Nutzung der Gene Drive Technologie. Statt Zeit und Hoffnung mit riskanten und teuren Maßnahmen zur Symptombekämpfung zu verschwenden, muss sich die IUCN darauf konzentrieren, die Ursachen des dramatischen Artensterbens anzugehen.“
Quelle: Deutscher Naturschutzring