Komplexität wagen – Vielfalt kultivieren

Bei der „Farbe der Forschung III“ am 15. und 16. März 2024 berichteten in der Heinrich-Böll-Stiftung zu Berlin auf Einladung der Zukunftsstiftung Landwirtschaft Bäuer:innen, Forscher:innen und Expert:innen aus aller Welt von ihren Erfahrungen und ihrer Forschung zu Misch- und Vielfaltskulturen. Sie sind zum Beispiel die Grundlage der weltweit größten Umstellung auf agrarökologische Produktion, an der im indischen Andra Pradesh eine Million kleinbäuerliche Höfe beteiligt sind. Auch in China haben große Streifen-Mischkulturen eine lange Tradition und in Europa untersuchen Forscher*innen verschiedenste Mischkulturen und weitere Methoden, die Vielfalt zu erhöhen.

Mischkulturen, große Vielfalt und der Aufbau gesunder Böden sind zur Steigerung des Ertrages und der Widerstandsfähigkeit landwirtschaftlicher Kulturen am besten geeignet und zur Bewältigung der großen Herausforderungen Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Süsswassermanagement und zur Wiederbelebung ländlicher Regionen. Dabei spielen Bodenmikrobiome ebenso eine Rolle wie Lebensmittel-Produktionssysteme, die lokal verortet und sozial vernetzt sind.

Was ist das Erfolgsgeheimnis von Mischkulturen? Wir alle gedeihen letztlich nur in komplexen Gemeinschaften von Mikroben, Pilzen, Insekten, Pflanzen und Tieren. Die Pionierin Lynn Margulis, deren Vermächtnis am Kongress vorgestellt wurde, schrieb: ‚Wir alle sind wandelnde Gemeinschaften von Mikroben‘ – Pflanzen, Tiere und wir Menschen. Und alle Lebewesen, auch kleinste Bakterien, kommunizieren und interagieren – ein unermessliches Netz von Beziehungen, das sich immer verändert, immer im Fluss ist. Es ist Leben, das voneinander abhängt, und es ist unmöglich, Konkurrenz und Kooperation dabei immer auseinanderzuhalten. Wenn wir Lebewesen so begreifen, eröffnen sich neue Perspektiven, auch für die Landwirtschaft. 

Und welche Rolle spielen bei der wissenschaftlichen und praktischen Umsetzung dieser transformierenden Perspektive und neuen Komplexität Maschinenlernen, Algorithmen und digitale Techniken? Sie eröffnen neue Dimensionen der Erfassung und Vernetzung von Daten, der Simulation aber auch von Kontrolle und Manipulierbarkeit durch einige wenige Tech-Giganten, die riesige Datenmengen von Feldern, Pflanzen, Mikroben und DNA privatisieren und kontrollieren.

20 Referierende führten zu diesen Themenkomplexen knapp 100 Teilnehmer*innen durch ein dichtes, atemberaubendes und höchst inspirierendes Programm, dessen ganz besondere Qualität sich selbst aus der Vielfalt der Zugänge zu den Themen ergab, vorgetragen von der Gärtnerin über Professorinnen und Forschende bis zu Landwirten, Autorinnen und Aktivisten.

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