Berlin und Brüssel, 23. Januar 2025 – Ein heute veröffentlichter Bericht von Save Our Seeds beschreibt den rasant zunehmenden Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz (KI) bei der Entwicklung von gentechnisch veränderten (GV) Pflanzen. Er erläutert die neuen Möglichkeiten, die sich damit eröffnen. Sie gehen einher mit erheblichen neuen Bedenken hinsichtlich der Sicherheit dieser Pflanzen [1].
Die im Bericht beschriebene Konvergenz von generativer KI und Gentechnik fällt zeitlich zusammen mit der Debatte über eine weitreichende Deregulierung von GV-Pflanzen in der Europäischen Union (EU). Dabei geht es vor allem um Pflanzen, die mittels sogenannter Genomeditierung entwickelt wurden [2]. Sie sollen nach den Vorstellungen der EU-Kommission größtenteils von den bestehenden Vorschriften zu Risikobewertung, Rückverfolgbarkeit und Verbraucherkennzeichnung von GVOs ausgenommen werden [3].
Der Vorschlag geht davon aus, dass kleine, gezielte gentechnische Veränderungen angebracht werden, die theoretisch auch durch konventionelle Züchtung erreicht werden könnten und deshalb kein anderes Risiko darstellen. Diese Annahmen sind seit langem umstritten [4]. Die Einführung von KI-gesteuerter Gentechnik macht sie noch fragwürdiger.
Darüber hinaus machen KI-Technologien es möglich, Proteine und Organismen zu schaffen, die es so in der Natur nicht gibt („new-to-nature“).
Sollte die EU die Deregulierung weiter vorantreiben, könnten GV-Pflanzen auf den Markt kommen, die von automatisierten KI-Systemen erstellt wurden und dabei keinerlei Risikoprüfung durchlaufen haben und nicht für Verbraucher:innen gekennzeichnet sind.
Benedikt Haerlin, Koordinator von Save Our Seeds:
Was sich hier zusammenbraut, ist ein gefährlicher Mix. Die Konvergenz zweier Risikotechnologien verbindet Schwächen der Genomeditierung wie etwa unbeabsichtigte Veränderungen im Genom mit den bekannten Problemen der generativen KI wie dem ‚Black-Box‘-Effekt, Halluzinationen und Datenverzerrungen.
Franziska Achterberg, Leiterin Politik und Interessenvertretung:
Anstatt wesentliche Sicherheitsvorkehrungen abzubauen, sollte die EU zukunftsorientierte Gesetze vorlegen, die den neuen technologischen Entwicklungen gerecht werden. Sie sollte ihre Kontrolle über gentechnisch veränderte Pflanzen verstärken und nicht schwächen.
Kontakt: Franziska Achterberg – Leiterin Politik und Interessenvertretung, +32 498 362403,
Save Our Seeds ist eine Kampagne der Zukunftsstiftung Landwirtschaft. Seit 2002 setzt sie sich erfolgreich dafür ein, die Verunreinigung von Saatgut mit Gentechnik zu vermeiden und eine vorsorgliche Gentechnik-Gesetzgebung auf nationaler und EU-Ebene aufrechtzuerhalten. Wir betreiben aktuell die Kampagne Stop Gene Drives.
Notes to Editors:
[1] Hier geht’s zum Bericht „Wenn Chatbots neue Sorten züchten“.
[2] Der Begriff „Genomeditierung“ (oder „Genome-Editing“) umfasst neue Gentechnikverfahren, mit denen es möglich ist, neue Eigenschaften zu erzeugen, ohne fremdes genetisches Material einzufügen. Das wichtigste dieser Verfahren ist CRISPR-Cas. Neben den beabsichtigten Veränderungen verursacht die Genomeditierung auch unbeabsichtigte Nebeneffekte, die die Sicherheit der Produkte für Mensch und Umwelt beeinträchtigen können. Die langfristigen Gesundheits- und Umweltauswirkungen von gentechnisch veränderten Pflanzen, die mit diesen Verfahren hergestellt wurden, sind noch nicht erforscht.
[3] Vorschlag der Europäischen Kommission für eine neue Verordnung über Pflanzen, die mit bestimmten neuen genomischen Techniken gewonnenen wurden, Juli 2023
[4] Siehe z.B. Warnungen der französischen Lebensmittelbehörde, ANSES, und des Bundesamts für Naturschutz, BfN