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Foto: Weizenkorn Triticum Karamyschevii Schwamlicum fotografiert von Ursula Schulz-Dornburg im Vavilov Institut zu St.Petersburg

Nachrichten

12.09.2017 |

Studie: Bio-Böden speichern mehr Kohlenstoff und zwar langfristiger

Bioboden
Bioböden enthalten mehr organische Bodensubstanz und Huminstoffe (Foto: CC0)

Ökologisch bewirtschaftete Böden speichern größere Mengen an Kohlenstoff und dies zudem langfristiger als konventionell bewirtschaftete Äcker. Zu diesem Ergebnis kommt eine umfassende Studie aus den USA, die von Wissenschaftlern der Northeastern University gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisation „The Organic Center“ durchgeführt wurde. Die Forscher fanden heraus, dass ökologisch bewirtschaftete Böden einen höheren Anteil an Huminstoffen aufweisen, weshalb sie atmosphärischen Kohlenstoff besonders effektiv und langfristig im Boden binden können. Die Studie, die am 1. Oktober im Fachjournal „Advances in Agronomy“ erscheinen wird, bescheinigt Bio-Böden ein 26% größeres Potenzial Kohlenstoff langfristig zu speichern als Böden unter konventioneller Bewirtschaftung. Die Autoren betonen, dass es bereits zahlreiche Studien gebe, welche die positiven Auswirkungen des Ökolandbaus auf die organische Bodensubstanz belegten. Doch dies sei die erste wissenschaftliche Untersuchung, die sich umfassend mit der langfristigen Kohlenstoffspeicherung im Boden unter verschiedenen Anbausystemen USA-weit beschäftigte.

Das Team der Northeastern University verglich mehr als 1000 Bodenproben von Biobetrieben und konventionell wirtschaftenden Betrieben, wobei unterschiedliche Anbaumethoden, Feldfrüchte und Bodentypen berücksichtigt wurden. Als Datengrundlage diente sowohl das „National Soil Project“, das seit 2008 vor allem den Bodenkohlenstoffgehalt konventionell bewirtschafteter Böden misst, als auch 659 Bodenproben von Biobetrieben aus 39 US-Bundesstaaten aus den Jahren 2015 und 2016. Die Wissenschaftler gelangten zu dem Ergebnis, dass auf den Ökobetrieben der Kohlenstoffgehalt der Böden höher war und zwar um 13%. Besonderes Augenmerk schenken sie jedoch den Huminstoffen, die beim Abbau von abgestorbenem, organischem Material entstehen. „Wir haben uns nicht nur den Gesamtkohlenstoffgehalt angeschaut, sondern auch die Bodenkomponenten, die einen stabilen Pool an organischem Kohlenstoff aufweisen – Huminstoffe. Dies vermittelt uns ein akkurates und präzises Bild von der stabilen, langfristigen Kohlenstoffbindung im Boden“, sagte Dr. Jessica Shade, Leiterin des Wissenschaftsprogramms von „The Organic Center“. Die Studie ermittelte einen höheren Anteil von Fulvo- und Huminsäuren in ökologisch bewirtschafteten Böden. Im Schnitt war der Anteil von Huminsäuren – jenen Bodenbestandteilen, die eine hohe Stabilität aufweisen und daher Kohlenstoff langfristig speichern – im Ökolandbau um 44% höher. Der Anteil an Fulvosäuren im Boden war auf Biohöfen 150% höher als auf konventionellen Betrieben.

Die Autoren schreiben dem Ökolandbau daher eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels zu. Huminstoffe seien widerstandsfähig gegen Bodendegradation und hielten sich mehrere hundert oder gar tausende Jahren im Boden. Je höher der Gehalt von Huminstoffen im Boden, desto länger speichern Böden Kohlenstoff und entziehen diesen der Atmosphäre. „Diese Ergebnisse unterstreichen das Potenzial des Ökolandbaus, die Kohlenstoffbindung in Böden zu steigern und so zur Verringerung einer der Hauptursachen des Klimawandels beizutragen“, sagte Dr. Shade. Laut „The Organic Center“ tragen im Ökolandbau häufig zum Einsatz kommende Praktiken, wie abwechslungsreiche Fruchtfolgen, der Anbau von Zwischenfrüchten zur Gründüngung oder die Nutzung von Mist und Kompost wahrscheinlich auch zu einer Erhöhung des Anteils von Huminstoffen im Boden bei. Dr. Geoffrey Davies von der Northeastern University sagte dem Nachrichtenmagazin Civil Eats: „Was ich nun gerne als nächstes herausfinden möchte, ist ob Huminstoffe in ökologisch bewirtschafteten Böden mit jenen in konventionellen Böden übereinstimmen.“ Sollten sie sich unterscheiden, wäre dies Dr. Davies zufolge ein weiteres Anzeichen dafür, dass wir mit Praktiken der konventionellen Landwirtschaft wie dem Einsatz von Mineraldünger „der Natur zuwiderlaufen“. (ab)

31.08.2017 |

Böden verloren 133 Milliarden Tonnen Kohlenstoff durch Landwirtschaft

Plow
Bodenbearbeitung (Foto: CC0)

Die Böden dieser Welt sind der größte terrestrische Kohlenstoffspeicher. Doch seit Beginn der Landwirtschaft vor etwa 12.000 Jahren wurden 133 Milliarden Tonnen Kohlenstoff aus den oberen zwei Metern der Bodenschicht freigesetzt. Und der Verlust von Bodenkohlenstoff hat sich in den letzten 200 Jahren seit dem Einsetzen der industriellen Revolution dramatisch beschleunigt. Das zeigt eine neue Studie, die am 21. August im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences erschienen ist. Das Forscherteam kam zu dem Ergebnis, dass durch die Landwirtschaft ebenso viel Kohlenstoff in die Atmosphäre freigesetzt wurde wie durch die Rodung von Wäldern. „Die Ausbreitung der Landwirtschaft hat eine große Kohlenstoffschuld in den Böden hinterlassen“, sagte der Hauptautor der Studie, Dr. Jonathan Sanderman vom Woods Hole Research Center, einer Denkfabrik zum Thema Klimawandel in den USA. „Doch es ist bisher schwierig gewesen, den Umfang und die räumliche Verteilung des Verlustes von organischem Kohlenstoff im Boden durch Änderungen in der Landnutzung und Bodenbedeckung zu bestimmen.“ Den Autoren zufolge gingen die Ergebnisse früherer Studien weit auseinander: Schätzungen reichten von 40 bis 500 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Die Forscher wagten nun einen neuen Versuch mit einem auf maschinelles Lernen gestützten Modell, das globale Daten zu Bodenkohlenstoff und Landnutzung einbezieht.

Demnach waren in den oberen zwei Metern der Böden weltweit 133 Milliarden Tonnen Kohlenstoff mehr gespeichert, als noch keine Landwirtschaft betrieben wurde. „Ich denke, dass wir in der Vergangenheit den Umfang der Emissionen, die aus Böden aufgrund von Landnutzungsänderungen freigesetzt wurden, unterschätzt haben“, sagte Sanderman der Washington Post. Der Studie zufolge trug der Ackerbau etwa zu einem gleichen Anteil zur Freisetzung des Bodenkohlenstoffs bei wie die Viehhaltung. Obwohl der Anbau von Feldfrüchten prozentual einen höheren Anteil pro Fläche freisetze, schlage die Viehzucht insgesamt etwas mehr zu Buche, da es fast doppelt so viele Weideflächen wie Ackerland gebe. Weltweit variieren Umfang und Anteil des Rückgangs an Bodenkohlenstoff aufgrund der großen Unterschiede bei Bodeneigenschaften, Klima, Art der Landnutzungsänderungen und der unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen. Die Autoren betonen auch, dass es bei einer landwirtschaftlichen Bodennutzung nicht unbedingt zu einem Verlust an Bodenkohlenstoff kommen muss. Bei Böden, die von Natur aus eine geringe Fruchtbarkeit aufweisen, kann der Gehalt verbessert werden, wodurch das Pflanzenwachstum profitiert.

Die Wissenschaftler möchten mit ihren Ergebnissen eine Grundlage für politische Maßnahmen bieten, die darauf abzielen, den Kohlenstoffgehalt der Böden wieder zu erhöhen. „Unsere Karten zeigen Brennpunkte des Verlusts an Bodenkohlenstoff, oft in den wichtigsten Ackerbaugebieten und den Regionen, in den Weideland stark degradiert ist. Dies legt nahe, dass Regionen identifiziert werden können, die das Hauptziel der Bemühungen sein sollten, Böden wieder mit Kohlenstoff anzureichern“, schreiben die Autoren. „Die große Bodenkohlenstoffschuld kann als das maximale Potenzial betrachtet werden, das die Böden bieten, um Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen und so als natürliche Lösung für den Klimawandel zu dienen. Selbst wenn nur ein Bruchteil dieses Potenzials genutzt würde, wäre dies eine wichtige Strategie zur Abmilderung des Klimawandels“, betont Sanderman. Die Forscher bezeichnen nachhaltige Methoden der Bodenbewirtschaftung, die den Kohlenstoff wieder in den Boden bringen, wie ausgeklügelte Fruchtfolgen, den Anbau von Zwischenfrüchten zur Bodenbedeckung und eine verringerte Bodenbearbeitung, als große Chance. „Eine Änderung der großflächigen landwirtschaftlichen Praktiken, um einen Teil der verloren gegangenen Bodenkohlenstoffvorräte wiederherzustellen, könnte eine wertvolle Strategie sein, um den Klimawandel abzubremsen“, sagte Mitautor Dr. Thomas Crowther vom Yale Climate and Energy Institute gegenüber CarbonBrief. „Wenn eine regenerative Landwirtschaft zumindest einen Teil des Kohlenstoffs, den wir verloren haben, wieder in den Boden bringen könnte, wäre dies ein kostbares Werkzeug in unserem Kampf gegen den Klimawandel.“ (ab)

30.08.2017 |

Weniger Glyphosat in deutschem Bier

Drei Bier! Foto: Deutscher Brauer-Bund e.V.
Drei Bier! Foto: Deutscher Brauer-Bund e.V.

Die Bürger-Proteste zeigen Wirkung: Wie das Münchener Umweltinstitut mitteilte, ist der Glyphosat-Gehalt im deutschen Bier im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesunken. Die Brauereien hätten vermutlich besser auf reine Rohstoffe geachtet, so das Institut. Nach deutlich erhöhten Werten im vergangenen Jahr hatten sich 20.000 Menschen seiner Forderung angeschlossen, das Pestizid aus dem Bier zu verbannen.

Insgesamt 14 beliebte Biere hat das Umweltinstitut getestet. Während die durchschnittliche Belastung 2016 noch bei 7,6 Mikrogramm Glyphosat pro Liter Bier lag, waren es 2017 im Schnitt nur noch 1,7 Mikrogramm. Damit sind die Werte in gut einem Jahr um fast 80 Prozent gesunken. Der Grenzwert für Trinkwasser von 0,1 Mikrogramm pro Liter werde allerdings von allen getesteten Bieren überschritten, so das private Institut. Bei einer Biersorte wurden immer noch 5,1 Mikrogramm Glyphosat pro Liter gemessen.

„Offenbar passen einige Brauereien beim Einkauf von Braugerste heute besser auf“, erklärte Agrarreferent Karl Bär den Rückgang. Die Wege, auf denen das Glyphosat ins Bier gelangen kann, sind vielfältig. Nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ist es zwar verboten, Braugerste noch so kurz vor der Ernte mit Glyphosat zu spritzen, dass es zu Rückständen kommen kann. Der deutsche Brauerbund (DBB) räumt jedoch ein, dass das Spritzmittel von benachbarten Äckern herüberwehen kann. Außerdem müsse mangels Angebot etwa die Hälfte der Gerste im Ausland gekauft werden, wo der Einsatz glyphosathaltiger Spritzmittel teilweise erlaubt sei. Hauptherkunftsländer sind nach Angaben des DBB Frankreich und Dänemark.

Brauerbund und BfR halten die gefundenen Glyphosat-Mengen für ungefährlich. Der DBB hält es auch für fragwürdig, auf das Bier den „Vorsorgewert“ für Trinkwasser anzuwenden. Der Verband misst die eingesetzten Malze lieber an der europarechtlich festgelegten Rückstandshöchstgrenze für Gerste. Sie beträgt 20 mg Glyphosat/kg und in Weizen 10 mg/kg. Die bei eigenen Überprüfungen in Einzelfällen gefundenen Belastungswerte lägen „um mehr als den Faktor 100“ darunter, so der DBB. Und davon gelangten wiederum nur wenige Prozent ins Bier.

Das Umweltinstitut verwies jedoch darauf, dass auch in Getreide und Backwaren bereits Glyphosat gefunden wurde. Das Gift kann sich also im menschlichen Körper aus mehreren Quellen sammeln. Agrarexperte Bär wundert das nicht: „Der verbreitete Einsatz von Glyphosat führt letztendlich dazu, dass das Pestizid über die Nahrung wieder bei uns Menschen landet.“ Deshalb fordert das Umweltinstitut die Bundesregierung auf, sich bei der anstehenden Abstimmung auf EU-Ebene für ein Verbot des Wirkstoffs einzusetzen. [vef]

22.08.2017 |

Baysanto: EU-Kommission hat noch Bedenken

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager (Foto: European Union, Jennifer Jacquemart)
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager (Foto: European Union, Jennifer Jacquemart)

Die Europäische Kommission will die geplante Übernahme des US-Saatgutgiganten Monsanto durch den Chemieriesen Bayer noch intensiver prüfen. In ihrer heutigen Presseerklärung begründet sie das unter anderem damit, dass der Wettbewerb bei der gentechnischen Veränderung von Nutzpflanzen beeinträchtigt werden könnte. Die Bayer AG geht weiter davon aus, dass sie Monsanto bis zum Jahresende kaufen darf.

Mit Monsanto wäre die Bayer AG mit Sitz in Leverkusen das weltweit größte integrierte Pestizid- und Saatgut-Unternehmen. Dadurch kämen zwei Wettbewerber zusammen, die bei Totalherbiziden, Saatgut und agronomischen Merkmalen sowie in der digitalen Landwirtschaft führend sind, heißt es in der Presseinformation. Agronomische Merkmale sind etwa Herbizid-, Insekten- oder Krankheitsresistenz, mit denen Pflanzen durch Veränderung ihrer Gene ausgestattet werden können. Monsanto sei hier Marktführer und Bayer einer der wenigen Konkurrenten. Außerdem arbeiteten beide Unternehmen an neuen Produkten in diesen Bereichen.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager sagte: „Saatgut und Pestizide sind für Landwirte und letztlich auch für die Verbraucher von entscheidender Bedeutung. Wir müssen auf diesen Märkten einen wirksamen Wettbewerb sicherstellen, sodass Landwirte Zugang zu innovativen Produkten und einer besseren Qualität haben und Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen kaufen.“

Die Bayer AG hat die Entscheidung wegen des Umfangs des 66 Milliarden US-Dollar-Deals offenbar erwartet. Man sei von den Vorteilen des geplanten Zusammenschlusses für Landwirte und Kunden aber überzeugt und werde die EU-Kommission bei der Untersuchung wie bisher eng und konstruktiv unterstützen, heißt es auf der Bayer-Webseite.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) begrüßt die vertiefte Fusionskontrolle. Der AbL-Vorsitzende Martin Schulz verweist darauf, dass nach einer Bayer-Monsanto-Fusion drei Konzerne 44 Prozent des Saatgut- und 65 Prozent des Pestizidmarktes der EU kontrollieren würden. Das habe nichts mehr mit Wettbewerb zu tun, Vestager müsse die Übernahme von Monsanto ablehnen, sagte Schulz. Da eine Fusion massive Auswirkungen auf die bäuerliche Landwirtschaft haben wird, möchte die AbL an der Fusionsprüfung als Drittpartei beteiligt werden.

Die EU-Kommission hat nun bis zum 8. Januar 2018 Zeit, über den Zusammenschluss zu entscheiden. Die Einleitung einer eingehenden Prüfung lasse keine Schlüsse auf deren Ergebnis zu, hieß es. Bayer hatte die Übernahmepläne am 30. Juni 2017 bei der Kommission angemeldet. Am 31. Juli 2017 hätten Bayer und Monsanto Angebote vorgelegt, wie sie die Bedenken ausräumen wollen, so die Mitteilung der EU-Kommission. Diese Angebote reichten aber nicht, um ihre ernsthaften Zweifel an der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit der EU-Fusionskontrollverordnung zu zerstreuen.

Aufgrund des weltweiten Tätigkeitsfelds von Bayer und Monsanto arbeitet die Kommission eng mit anderen Wettbewerbsbehörden zusammen, insbesondere mit dem Department of Justice der Vereinigten Staaten, dessen Entscheidung ebenfalls noch aussteht. Insgesamt müssen nach Angaben eines Bayer-Sprechers weltweit fast 30 Behörden der Monsanto-Übernahme zustimmen. Anfang Juli hatten das bereits zehn getan, darunter Südafrika.

Die EU-Kommission verwies darauf, dass sie die Übernahme im Fusionskontrollverfahren nur unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten prüft. Bedenken in Bezug auf Lebensmittelsicherheit sowie des Verbraucher-, Umwelt- und Klimaschutzes, die in zahlreichen Zuschriften geäußert worden seien, würden dabei nicht berücksichtigt. [vef]

08.08.2017 |

USA: Millionen Mücken gegen die Mückenplage?

Moskito Aedes aegypti
Die Ägyptische Tigermücke (Foto: James Gathany, US Department of Health and Human Services / wikipedia, gemeinfrei)

Ein Unternehmen des Google-Konzerns setzt seit Mitte Juli in Kalifornien Millionen von Tigermücken frei. Da die Männchen mit dem Bakterium Wolbachia infiziert wurden, können bei der Paarung mit wilden Weibchen die Larven nicht überleben, erklärt eine Webseite zum Projekt. Man hoffe, die Zahl der Mücken und damit die Übertragung von Krankheiten, etwa des Zika-Virus, auf diesem Weg deutlich zu reduzieren.

Insgesamt 20 Wochen lang will das Unternehmen Verily in Kooperation mit der zuständigen Behörde von Fresno jeweils eine Million Tigermückenmännchen fliegen lassen. Das sei die bisher größte Freisetzung dieser Art in den USA. Jeden Morgen fährt ein Spezialfahrzeug durch die beiden 1,2 Quadratkilometer großen bewohnten Versuchsgebiete in der kalifornischen Stadt und lässt etwa 150.000 Wolbachia-Moskitos fliegen. Sie werden in Spezialgeräten von Verily hergestellt und nach Geschlecht sortiert. Um die Bevölkerung zu beruhigen, verweist die Behörde darauf, dass die Männchen der Aedes ägypti weder stechen noch Krankheiten übertragen.

Im Jahr 2013 waren die ersten wilden Tigermücken im Tal von Fresno aufgetaucht, vermehrten sich rasant und plagten die Bevölkerung. Die wilden Exemplare der Aedes ägypti sind – anders als viele andere Insekten - normalerweise nicht mit dem Bakterium Wolbachia infiziert. Paart sich nun ein infiziertes Tigermückenmännchen mit einem Weibchen ohne das Bakterium, wächst aus den Eiern kein Nachwuchs. Denn Wolbachia-Bakterien leben in den Geschlechtsorganen ihrer Wirte und verändern dort die genetische Information. Daher wird das Vorgehen auch Sterile-Insekten-Technik SIT genannt. So soll sich die Insekten-Population verkleinern und damit seltener das Zika-Virus, Dengue- oder Chikungunya-Fieber übertragen. Das jedenfalls ist der Plan.

Die amerikanische Umweltbehörde EPA hält die Aktion für ungefährlich. Umweltschützer warnen jedoch, die Folgen seien unabsehbar, wenn eine Tierart ausgerottet wird. Das sei ein schwerwiegender Eingriff ins gesamte Ökosystem. So könnte sich anstelle der Tigermücke eine andere Insektenart unkontrolliert vermehren, hieß es in einer Klage gegen ähnliche Versuche der britischen Firma Oxitec auf den Cayman Inseln. Die insektenzüchtenden Firmen erschlössen sich damit eine nie versiegende Einnahmequelle.

Außerdem warfen die Umweltschützer Oxitec vor, die Überlebenschance der ausgesetzten Mücken zu verschweigen. Die liege bei 15-20 Prozent, wenn die Mücken Nahrung fänden, die das Antibiotikum Tetracyclin enthalte, wie etwa Hühnerfleisch. Trotzdem soll nach einem Bericht des Caymannewsservice auch auf den Cayman Inseln diesen Sommer der Einsatz von Tigermücken ausgeweitet werden. Anders als Verily arbeitet Oxitec laut US-Sender npr allerdings mit einer gentechnischen Veränderung bei den Mückenmännchen, die die frisch geschlüpften Mücken innerhalb weniger Tage absterben lässt.

Auch bei weiblichen Tigermücken soll Wolbachia übrigens nach einschlägigen Studien von Vorteil sein: Nach einem Bericht des österreichischen Senders ORF sollen sie das Dengue-Fieber schlechter übertragen, wenn sie mit dem Bakterium infiziert sind. Versuche dazu laufen aktuell vor allem in Asien und Australien. [vef]

04.08.2017 |

Die Monsanto-Akten: Sturm gegen kritische Studie

Elsevier
Elsevier verlegt das Fachjournal Food and Chemical Toxicology (Foto: ActuaLitté / flickr, CC BY-SA 2.0)

Seit Monaten verhandelt ein Gericht in Kalifornien eine Sammelklage von Menschen, die ihre Krebserkrankung auf das Herbizid Glyphosat von Monsanto zurückführen. Die Anwälte der Kläger erzwangen, dass Monsanto interne Akten offenlegen musste. Diese offenbaren, wie der Konzern Wissenschaftler bezahlte und Behörden beeinflusste.

Von der Kanzlei Baum Hedlund veröffentlichte Unterlagen zeigen jetzt, wie der Konzern dazu beitrug, dass die Fachzeitschrift Food and Chemical Toxicology (FCT) eine zuvor veröffentlichte Studie mit Glyphosat-kritischem Ergebnis 2013 wieder zurückzog. Für die Studie hatten Professor Gilles-Eric Séralini und sein Team von der Universität Caen Ratten zwei Jahre lang mit gentechnisch verändertem Mais gefüttert und mit leicht glyphosathaltigem Wasser getränkt. Die Tiere entwickelten deutlich häufiger Krebserkrankungen und Leberschäden als die unbelastete Kontrollgruppe. Als die Studie im September 2012 in der Zeitschrift FCT erschien, erhob sich ein Proteststurm gentechnikfreundlicher Wissenschaftler und Organisationen.

Die auf der Webseite der Kanzlei veröffentlichten Mails und Papiere belegen, dass Monsanto diesen Sturm aktiv anfachte. Bereits kurz nachdem die Studie erschienen war, stand der Konzern mit dem Herausgeber in Kontakt. Dieser habe – so geben es Monsanto-Angestellte wieder – darauf hingewiesen, dass er Stellungnahmen von Wissenschaftlern brauche, um gegen die Studie vorgehen zu können. Also bewegte ein Monsanto-Angestellter zahlreiche Wissenschaftler dazu, Protestbriefe an den Herausgeber der Zeitschrift FCT zu schreiben. Diese Briefe sollten die zahlreichen Schwächen und Fehler beleuchten, die die Studie nach Ansicht Monsantos enthielt. Sie dienten dem Journal als Grundlage dafür, die Studie einer erneuten Begutachtung zu unterziehen und sie schließlich Ende 2013 zurückzuziehen. Schon damals vermuteten Gentechnik-Kritiker eine Einflußnahme des Konzerns. Durch die nun veröffentlichten Akten ist sie belegbar.

Neu ist darin, dass Monsanto im Sommer 2012 mit dem Herausgeber von FCT einen Beratervertrag abgeschlossen hatte. Er sollte ein Expertennetzwerk in Südamerika betreuen. Stundensatz 400 US-Dollar, maximale Gesamtsumme 16.000 Dollar. Die Klägeranwälte sehen darin einen klaren Interessenkonflikt, schließlich sorgte der Monsantoberater anschließend als Herausgeber dafür, dass eine Monsanto-kritische Studie aus seiner Zeitschrift wieder verschwand.

Die Séralini-Studie wurde übrigens im Sommer 2014 von einer anderen Fachzeitschrift erneut veröffentlicht. [lf]

01.08.2017 |

Überlastete Erde: nachhaltig nutzbare Ressourcen am 2. August aufgebraucht

Erde
Die Ressourcen für 2017 sind weg (Foto: CC0)

Am 2. August sind die nachhaltig nutzbaren Ressourcen der Erde für 2017 aufgebraucht: Für den Rest des Jahres lebt die Weltbevölkerung wieder auf Pump und belastet die Erde stärker, als sie sich regenerieren kann. Darauf machen INKOTA, Germanwatch, die BUNDjugend, FairBindung und die Naturschutzjugend aufmerksam. Die Organisationen haben Daten des Global Footprint Network ausgewertet, das sowohl für einzelne Länder als auch die Welt insgesamt berechnet, wann die natürliche Belastungsgrenze der Erde erreicht ist – das heißt die Ressourcen verbraucht sind, die rein rechnerisch im gesamten Jahr nachhaltig genutzt werden könnten. Dabei wird der Bedarf an Acker-, Weide- und Bauflächen, die Entnahme von Holz, Fasern oder Fisch, aber auch die Belastung durch den Ausstoß von CO2 oder die Müllproduktion berücksichtigt.

Während die Menschheit im Jahr 2000 am 23. September und 1980 sogar erst am 4. November über ihre Verhältnisse lebte, sind die Ressourcen dieses Jahr so früh erschöpft wie noch nie – 6 Tage früher als noch 2016. Die Ausbeutung der Ressourcen nimmt also weiterhin an Fahrt auf. Die Menschheit beansprucht mittlerweile rein rechnerisch 1,7 Erden, um ihren Bedarf an Rohstoffen, Ackerland, Wasser und Wäldern zu decken – auf Kosten künftiger Generationen. „Die Erde ist kein Online-Shop mit scheinbar unbegrenztem Angebot. Jetzt ist der Laden leer. Alles, was wir nun verbrauchen, ist Diebstahl an künftigen Generationen. Es ist Aufgabe der Politik, das zu verhindern“, kritisiert Christoph Röttgers von der Naturschutzjugend. Würden alle Länder der Welt so wirtschaften wie Deutschland, wären sogar 3,2 Planeten nötig. Der deutsche Erdüberlastungstag wurde bereits am 24. April 2017 erreicht. „Vor allem in den Bereichen Verkehr, Energieversorgung und Landwirtschaft ist Deutschland alles andere als ein umweltbewusster Vorreiter. Das muss sich dringend ändern, damit wir die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen erreichen können“, betont Lena Michelsen vom INKOTA-netzwerk. Deutschland hat sich mit den 2015 verabschiedeten Sustainable Development Goals (SDGs) zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet. Dies betrifft nicht nur das 12. SDG, das nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster anstrebt, sondern erstreckt sich auf alle 17 Ziele.

Noch verschwenderischer mit den natürlichen Ressourcen als Deutschland gehen Australien und die USA um: Würde die gesamte Welt diesen Konsum- und Lebensstil übernehmen, wären 5,2 bzw. 5,0 Erden notwendig, Südkorea und Russland beanspruchen 3,4 Erden. Indien hingegen verbraucht rein rechnerisch nur 0,8 Erden. Doch das Global Footprint Network zeigt sich optimistisch, dass der Trend des steigenden Ressourcenverbrauchs umkehrbar ist. Wenn es gelingen würde, jedes Jahr den Erdüberlastungstag um 4,5 Tage in die Zukunft zu schieben, würde die Menschheit bis 2050 wieder innerhalb der Kapazitäten der Erde leben. „Unser Planet ist endlich, aber unsere Möglichkeiten sind es nicht“, betonte Dr. Mathis Wackernagel, Leiter des Global Footprint Network und Entwickler des Ökologischen Fußabdrucks. „Innerhalb des Ressourcenbudgets unseres Planeten zu leben ist nicht nur technologisch machbar, sondern auch finanziell von Vorteil. Es ist unsere einzige Chance für eine blühende Zukunft“, so Wackernagel. Würde zum Beispiel die Lebensmittelverschwendung weltweit halbiert werden, würde sich das Datum des Erdüberlastungstages um 11 Tage im Kalender nach hinten verschieben. Eine Halbierung des CO2-Ausstoßes würde sogar 89 Tage einbringen. (ab)

27.07.2017 |

In Brasilien darf jetzt Gentech-Zuckerrohr angebaut werden

Zuckerrohr
Brasilien: Zuckerrohr soweit das Auge reicht Foto: Cut Cane, John McQuaid, https://bit.ly/3JBK4j1, https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/

Die brasilianische Gentechnik-Behörde CTNBio hat eine gentechnisch veränderte (gv) Zuckerrohr-Sorte des brasilianischen Zentrums für Zuckerrohrtechnologie (Centro de Tecnologia Canavieira, CTC) zugelassen. Das meldete die Agentur Reuters. Das gv-Zuckerrohr produziert in Blättern und Stängel ein Gift, das die Larven des Zuckerrohrbohrers abtöten soll, sobald diese sich über die Pflanzen hermachen. Dieses Bt-Toxin findet sich auch häufig in gentechnisch veränderten Mais- und Baumwollpflanzen.

In Brasilien wird auf zehn Millionen Hektar Zuckerrohr angebaut. Der daraus hergestellte Zucker dient als Nahrungsmittel ebenso wie als Basis für die Produktion von Ethanol als Treibstoff. Den Zucker exportiert Brasilien laut Reuters in 150 Länder. CTC habe bereits Importzulassungen für die USA und Kanada beantragt und wolle entsprechende Anträge auch in China, Indien, Japan, Russland, Südkorea und Indonesien stellen. Die EU findet sich nicht auf dieser Liste. CTC wolle die ersten Setzlinge nächstes Jahr auf den Markt bringen und es werde mindestens noch drei Jahre dauern, bis daraus gewonnener Zucker verkauft würde, zitiert Reuters den Geschäftsführer von CTC, Gustavo Leite. Die Zulassung durch CTNBio erfolgte übrigens zügig: Eingereicht hatte CTC der Meldung zufolge die Antragsunterlagen im Dezember 2015.

Der Zuckerrohr-Industrieverband Unica begrüßte die Zulassung und bezifferte die Schäden durch den Zuckerrohrbohrer mit etwa fünf Milliarden Real jährlich, das sind 1,3 Milliarden Euro. In der Unica-Meldung kündigt der CTC-Geschäftsführer an, in den nächsten Jahren ein Portfolio an resistenten Sorten zu entwickeln, die an die jeweiligen regionalen Anbaubedingungen angepasst seien. Zudem wolle er Zuckerrohr auch mit anderen Schädlingsresistenzen und Herbizidtoleranzen ausstatten. Schon seit sieben Jahren arbeitet CTC mit BASF an gv-Zuckerrohr, das mit weniger Wasser auskommt und mit Bayer an Pflanzen mit höherem Zuckergehalt.

In einer Meldung des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) kommentiert Augusto Freire von der brasilianischen ProTerra-Stiftung die Entwicklung. Er rechnet nicht mit einer raschen Verbreitung, da Zuckerrohr in Zyklen von fünf bis sieben Jahren angebaut werde. Zumindest die Zuckerverarbeiter im Nordosten des Landes stünden den Gentechnik-Pflanzen positiv gegenüber, sagte Freire dem VLOG. Eine Auskreuzung auf dem Feld halte er für eher unwahrscheinlich, da das Zuckerrohr aus Ertrags- und Qualitätsgründen üblicherweise vor der Blüte geschnitten werde. [lf]

04.07.2017 |

Appelle an Vestager: Monsanto-Deal verbieten!

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager (Foto: European Union, Jennifer Jacquemart)
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager (Foto: European Union, Jennifer Jacquemart)

Der Chemiekonzern Bayer hat vergangenen Freitag seinen Zulassungsantrag zur Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto bei den EU-Wettbewerbshütern eingereicht. Wie eine Bayer-Sprecherin bestätigte, arbeite man weiter an dem Ziel, den Kauf bis Jahresende abzuschließen. Entwicklungspolitische und Umweltorganisationen appellieren an EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die Großfusion zu untersagen.

Bayer hatte den Genehmigungsantrag an die EU schon für März angekündigt. Aber offenbar haben die „konstruktiven“ Vorgespräche mit den EU-VertreterInnen länger gedauert als geplant. Wie Bayer auf seiner Webseite schreibt, sei das Unternehmen gemeinsam mit Monsanto “bis zu einem bestimmten Grad“ bereit, Geschäftsbereiche zu veräußern, sollte dies von Kartellbehörden gefordert werden. Bei der bereits im Frühjahr bewilligten Übernahme von Syngenta durch ChemChina und der Fusion Dow Chemicals/DuPont hatte Vestager jeweils umfangreiche Teilverkäufe verlangt.

„Wenn nun auch noch die Bayer-Monsanto Übernahme genehmigt wird, beherrschen in Zukunft nur noch drei Konzerne mehr als 60 Prozent des weltweiten Saatgutmarktes und etwa 70 Prozent des Agrarchemiemarktes“, warnt Christine Vogt, Referentin für Landwirtschaft und Gentechnik am Umweltinstitut München. “Noch kann die Übernahme und damit die immer weiter fortschreitende Monopolisierung verhindert werden! Diese Verantwortung liegt jetzt bei der EU-Wettbewerbskommissarin. Sie muss sich ihrer Verantwortung stellen und die Übernahme ablehnen.“

„Wer über Saatgut und genetisches Material verfügt und sich beides über Patente sichert, der erlangt die Kontrolle über die Landwirtschaft, über die Lebensmittelerzeugung, die Lebensgrundlagen und die Welternährung“, beschreibt Heike Moldenhauer vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) das Schreckensszenario. Die Gentechnikexpertin fordert daher die G20-Staaten auf, das internationale Wettbewerbsrecht zu reformieren.

Ein neues Wettbewerbsrecht will auch Lena Michelsen vom entwicklungspolitischen Netzwerk INKOTA. „Wenn sich riesige Unternehmen wie Bayer und Monsanto zusammentun, bedeutet das mehr Gift und Gentechnik auf dem Acker – sowohl in Europa als auch im Rest der Welt“, prophezeit Michelsen. Sie verweist darauf, dass Megafusionen im Agrarbereich die kleinbäuerliche Landwirtschaft im globalen Süden und die Artenvielfalt bedrohen. Sollte die EU-Kommission die Monsanto-Übernahme genehmigen, müsse die Bundesregierung in Brüssel dagegen klagen.

Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, ist Bayer-Chef Werner Baumann zuversichtlich, Vestagers Okay zu bekommen und den mit 66 Milliarden US-Dollar größten Zukauf eines deutschen Unternehmens im Ausland bis Ende 2017 abschließen zu können. Nach Unternehmensangaben wurden bei nahezu 30 Behörden weltweit Zulassungsanträge eingereicht, 10 davon hätten die Transaktion bereits freigegeben, darunter Südafrika. Die US-Behörden prüfen den Antrag Monsantos seit Dezember 2016. In der Vergangenheit hatten sich die Wettbewerbshüter der EU mit ihren KollegInnen anderer Staaten eng abgestimmt. [vef]

28.06.2017 |

Dialog zum Genome Editing: „Wo sind die Toten?“

Waldbrand Absam (Foto: Michael Schober, http://bit.ly/2tlcc4N, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/)
Waldbrand Absam (Foto: Michael Schober, http://bit.ly/2tlcc4N, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/)

Philosophie trifft Landwirtschaft: Von der Verantwortungsethik menschlichen Handelns bis zur Heuristik der Furcht reichte die Palette der Argumente beim zweiten Dialogforum des Bundeslandwirtschaftsministeriums, das diese Woche in Berlin stattfand. Kein Wunder, ging es doch um „Kriterien für einen verantwortlichen Umgang mit Genome Editing“.

Das Beispiel leuchtete ein: Wird ein Brand durch einen Blitz ausgelöst, trifft Menschen keine Schuld. Anderes gilt, wenn jemand den Brand gelegt hat. Broder Breckling, Biologe der Universität Vechta, übertrug diesen Gedanken der Verantwortungsethik auf die neuartigen Gentechniken wie CRISPR-Cas: „Dass eine Punktmutation natürlich vorkommt, bedeutet nicht, dass es keine menschlich bewirkte Punktmutation geben kann, die ein unakzeptables Schadensrisiko birgt“, erläuterte der Wissenschaftler. Breiteten sich gentechnisch veränderte Organismen (GVO) aus und kreuzten sich etwa in Ackerunkräuter ein, habe das nicht abschätzbare Folgewirkungen. Der Landschaftsökologe forderte daher, für die Arbeit mit GVO einen Sachkundenachweis und eine Dokumentation zu verlangen. „Ein Ja zur Forschung bedeutet nicht, methodisch Mögliches ohne Sicherheitsüberprüfung freisetzen zu können“, so Breckling.

Zum „Verhältnis von Vorsorgeprinzip und Innovation“ bei den neuen molekularbiologischen Techniken durfte sich dann sogar ein Theologe äußern: Der Furcht den Vorrang zu geben, sei ihm zu defensiv, sagte Markus Vogt von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Gesellschaft brauche Innovation. Diese sei danach zu bemessen, wie sie dazu beitrage, gesellschaftliche Ziele umzusetzen. Dabei müsse das Risiko bewertet und sorgfältig abgewogen werden, betonte der Vorsitzende des bayerischen Bioökonomierates. Wie ein Risiko wahrgenommen werde, sei allerdings auch ein gesellschaftliches Produkt und könne durch Vertrauensbildung beeinflusst werden. Bei aller Freude an der Innovation stellte Vogt jedoch abschließend klar, dass er den Versuch der Bundesregierung, das Innovationsprinzip in die Begründung zum Gentechnikgesetz hineinzuschmuggeln, auf keinen Fall für akzeptabel hält.

Ginge es nach Marco Gemballa, sollten die neuen Techniken der Genveränderung nicht dem Gentechnikrecht unterworfen werden. Für ihn sei das neues Werkzeug in seinem großen Werkzeugkasten, sagte der Landwirt, der mit anderen zusammen 560 Hektar Ackerland in Mecklenburg-Vorpommern konventionell bewirtschaftet. Gemballa, der vor mehr als zehn Jahren bereits den GVO-Mais MON810 angebaut hatte, erhofft sich durch Genome Editing Erträge, mit denen er auf dem Weltmarkt konkurrieren kann. Angesichts der Risikodiskussion fragte er provozierend: „Wo sind eigentlich die Toten?“

Friedhelm von Mering sieht die durchaus, wenn auch einstweilen „nur“ im Ökosystem. Es mache einen Unterschied für nützliche Insekten, ob ein genveränderter Bt-Mais über die ganze Wachstumsperiode hinweg Insektizide verströme oder ob nur zu bestimmten Terminen gespritzt werde, wie bisher in der konventionellen Landwirtschaft, erklärte der politische Referent beim Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Für die 40.000 Unternehmen aus dem Biobereich, deren Interessen der BÖLW vertritt, birgt das Genome Editing unkalkulierbare Risiken. Um ihre Bio-Produkte, wie das Gesetz verlangt, sicher ohne GVO herstellen zu können, müssten sie einen dreistelligen Millionenbetrag investieren, um Lieferketten zu prüfen und Personal zu schulen, so der BÖLW-Experte. Und das, obwohl andere die GVO in Umlauf brächten. „Das Verursacherprinzip wird hier auf den Kopf gestellt,“ kritisierte von Mering.

Bis auf europäischer Ebene entschieden sei, ob die neuen Techniken als Gentechnik eingestuft werden, müssten sie in Deutschland als GVO betrachtet werden, forderte der Verbandsvertreter. Anders sei ihr Weg später nicht mehr nachzuverfolgen. Derzeit warten Europäische Kommission wie Mitgliedsstaaten auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, der voraussichtlich bis 2018 über die Einstufung des Genome Editing entscheiden wird. [vef]

 

 

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